Einzel- oder Gemeinschaftspraxis? Wie ihr die richtige Praxisform für euch wählt

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Der Start in die zahnärztliche Selbstständigkeit ist sowohl aufregend als auch herausfordernd. Eine der ersten und wichtigsten Entscheidungen ist die Wahl zwischen einer Einzel- oder einer Gemeinschaftspraxis. Für beide Optionen gibt es Pro- und Kontraargumente. Der nachfolgende Blogartikel soll euch dabei unterstützen, die beiden Welten näher kennenzulernen.

Herdentier oder Einzelkämpfer?

Ob ihr euch in einer eigenen, allein geführten Zahnarztpraxis wiederfindet oder euch einer Gemeinschaftspraxis anschließt, hängt maßgeblich von eurem individuellen Charakter und euren beruflichen Ansprüchen ab.

Die Einzelpraxis offeriert unvergleichliche Autonomie. Ihr trefft alle Entscheidungen selbst und setzt eure Visionen direkt um. Das bedeutet auch, dass ihr für alle Geschäftsbereiche verantwortlich seid – von den Finanzen bis zum Marketing. Die Freiheit, den Kurs eurer Praxis zu bestimmen, kann sehr erfüllend sein, jedoch erfordert sie auch ein hohes Maß an Selbstvertrauen und Belastbarkeit, besonders in anstrengenderen Zeiten.

Die Gemeinschaftspraxis hingegen baut auf Zusammenarbeit. Hier verschmelzen verschiedene Fachkompetenzen und Persönlichkeiten, was zu einem erweiterten Patientenstamm und vielfältigen Dienstleistungen führen kann. Sie erfordert jedoch auch die Fähigkeit, effektiv zu kommunizieren und Kompromisse einzugehen. Es ist ein Umfeld, in dem Teamarbeit im Mittelpunkt steht und kollektive Entscheidungen mehr Gewicht haben als individuelle Vorlieben.

Kompromisse in der Gemeinschaftspraxis sollten allerdings nicht als Beschränkung gesehen werden. Sie können vielmehr dazu beitragen, dass alle Beteiligten von unterschiedlichen Perspektiven profitieren und letztlich zu fundierten Entscheidungen kommen.

Schlussendlich gibt es kein allgemeingültiges Richtig oder Falsch. Es ist wichtig, sich der eigenen Stärken und Vorlieben bewusst zu sein und eine Entscheidung zu treffen, die eurer individuellen Arbeitsweise und Persönlichkeit entspricht.

Eine Frage des Geldes

Natürlich ist die Wahl zwischen Einzel- oder Gemeinschaftspraxis auch eine finanzielle. Während die finanzielle Belastung bei der Neugründung einer Einzelpraxis allein bei euch liegt, könnt ihr bei der Eröffnung einer Gemeinschaftspraxis die Kosten teilen. Die Last kann noch geringer ausfallen, wenn ihr in eine Bestandspraxis einsteigt.

Auch bei laufenden Kosten oder Neuanschaffungen und Reparaturen profitiert ihr davon, einen Partner mit in der Praxis zu haben. Doch aufgepasst: Zum einen werden neben den finanziellen Lasten natürlich auch die Umsätze geteilt und gleichzeitig müsst ihr euch darüber im Klaren sein, dass jede Anschaffung für die Praxis immer eine gemeinsame Entscheidung und Zustimmung voraussetzt. Euer Praxispartner sollte also ungefähr die gleichen Vorstellungen zu Ausgaben haben wie ihr. Ein Beispiel: Ihr seid jung, schätzt das moderne und einladende Ambiente in der Praxis und bemüht euch deshalb darum, die Räumlichkeiten möglichst ansprechend zu gestalten. Euer Praxispartner hingegen möchte sehr sparsam wirtschaften und sieht größere Ausgaben für die Einrichtung als überflüssig an. Dann kann es euch im schlimmsten Fall passieren, dass ihr regelmäßig in Konflikte geratet. Deshalb empfiehlt es sich noch vor der Zusammenarbeit zu regeln, in welche Richtung sich die Praxis entwickeln soll, und sicherzustellen, dass ihr zumindest ähnliche Vorstellungen mitbringt.

Fluch und Segen: Risiko und Verantwortung

Selbstständigkeit, egal in welcher Form, bringt Anforderungen mit sich, die euch immer wieder auf die Probe stellen.
In einer Einzelpraxis tragt ihr als Zahnarzt das volle Risiko. Dies betrifft nicht nur die Verantwortung für zahnmedizinische Behandlungen, sondern auch alle wirtschaftlichen und unternehmerischen Belange. Angefangen bei der Finanzierung und den Betriebskosten bis hin zu Entscheidungen über Personal und Investitionen in neue Technologien. Bei Misserfolgen oder unerwarteten Schwierigkeiten, sei es ein finanzieller Engpass oder ein medizinischer Vorfall, liegt die Verantwortung also allein bei euch. Dies kann, insbesondere für jüngere oder unerfahrene Zahnärzte, eine enorme Last bedeuten. Es erfordert nicht nur fachliche, sondern auch unternehmerische Kompetenz, das Problem richtig einzuschätzen und entsprechend zu managen.
In all diesen Fällen ist es hilfreich, auf ein erfahrenes Netzwerk zurückzugreifen. Bleibt mit Zahnärzten in Kontakt, die ihr im Zuge eurer Ausbildung kennengelernt habt, oder nutzt Fachtagungen und -veranstaltungen, um selbstständige Zahnärzte zu treffen, die eventuell bereits ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Der Austausch mit Kollegen bietet die Möglichkeit, von unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen zu profitieren, was wiederum zu besseren Entscheidungen führen kann.

Frau mit Brille sitzt am Schreibtisch mit Unterlagen und Taschenrechner und schaut sich Dokumente an. Eine Gemeinschaftspraxis bietet hingegen die Möglichkeit, diese Verantwortung zu teilen. Dies kann nicht nur finanzielle Vorteile bedeuten, etwa durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen oder die Aufteilung der Investitionskosten, sondern auch den mentalen Druck reduzieren, der mit der alleinigen Verantwortung einhergeht. Ein Fehler oder ein unvorhergesehenes Ereignis kann gemeinsam besser bewältigt werden.

Ein weiterer Vorteil ist, dass ihr nicht der einzige Ansprechpartner bei eventuellen Problemen oder Unklarheiten seid. Euer Team hat im besten Fall immer jemanden, an den es sich wenden kann, wenn irgendwo mal der Schuh drückt.

Mit der geteilten Verantwortung kommt allerdings auch die Notwendigkeit der Abstimmung. Entscheidungen können nicht mehr spontan und autonom getroffen werden, sondern erfordern Konsens und Koordination. Dies kann zu Verzögerungen führen und erfordert eine gute Kommunikation sowie Vertrauen unter den Partnern.

Urlaub und Krankheit

Weiter oben haben wir euch gezeigt, welche Vor- und Nachteile die geteilte beziehungsweise alleinige Verantwortung als Selbstständiger mit sich bringt. Aber was, wenn ihr krank seid oder der Urlaub ansteht? Klar ist auch hier, in einer Praxisgemeinschaft könnt ihr darauf vertrauen, dass euer Praxispartner euch während der Abwesenheit vertreten kann.
Seid ihr krank, müssen Patiententermine im besten Fall nicht abgesagt werden, sondern können von eurem Geschäftspartner übernommen werden. Gleichzeitig habt ihr die Gewissheit, dass sich bei Bedarf eine Entscheidungsinstanz vor Ort befindet.
Beim Thema Urlaub verhält es sich ähnlich. Statt die Praxis schließen zu müssen oder sogar eine Vertretung zu suchen, könnt ihr euch einfach gegenseitig vertreten. Für eure Patienten ist das ein attraktiver Service: Sie kennen den Vertretungsarzt höchstwahrscheinlich bereits (zumindest vom Sehen) und können in ihrer gewohnten Umgebung behandelt werden.
Und ihr als Praxisinhaber? Ihr könnt euch im Urlaub entspannt zurücklehnen, weil ihr wisst, dass „zu Hause” alles läuft.

Natürlich kann auch das Führen einer Einzelpraxis die Urlaubsplanung erleichtern. Zum Beispiel, weil ihr frei entscheiden könnt, ob ihr eure Praxis während eurer Abwesenheit komplett schließen wollt oder eine Vertretung beauftragt beziehungsweise, wann ihr euren Urlaub überhaupt machen möchtet. In Praxisgemeinschaften sind dagegen immer wieder Abstimmungen und Kompromisse gefordert.

Die Personalfrage

Ein reibungsloser Praxisbetrieb hängt maßgeblich vom Team ab – vom Empfangspersonal über die dentalen Fachassistenten bis hin zu den Kollegen und eventuellen Spezialisten in der Praxis. Doch wo liegt hier genau der Unterschied in Bezug auf eure Entscheidung für eine Einzel- oder Gemeinschaftspraxis?
Wenn ihr in eine Bestandspraxis einsteigt, liegt der Vorteil auf der Hand: Auch wenn der Fachkräftemangel die Dentalbranche fest im Griff hat, steht bei eurem Eintritt in die Selbstständigkeit bereits ein eingespieltes Team an eurer Seite. Auch für den Fall, dass ihr und euer Praxispartner unterschiedliche Fachbereiche abdeckt, kann die Wahrscheinlichkeit steigen, geeignetes Personal zu finden. Je größer das Leistungsspektrum, desto eher könnt ihr qualifizierte Mitarbeiter finden, die zu euren Anforderungen passen.
Neben den rein fachlichen Aspekten spielt natürlich auch die zwischenmenschliche Ebene eine entscheidende Rolle. In einer Gemeinschaftspraxis mit mehreren Führungskräften bietet sich dem Personal ein großer Vorteil: Sie können sich an den Chef wenden, mit dem sie auf der persönlichen Ebene besser harmonieren. So ergibt sich die Möglichkeit, bei Unstimmigkeiten oder Anliegen eine alternative Ansprechperson zu haben. Dies kann das Betriebsklima spürbar verbessern und zu einem harmonischeren Miteinander beitragen.

In einer Einzelpraxis hingegen herrscht oft ein direkterer Draht zwischen dem Praxisinhaber und seinen Mitarbeitern. So werden Entscheidungen und Absprachen unter Umständen schneller und unmittelbarer getroffen. Zudem habt ihr als alleiniger Inhaber die volle Kontrolle und Entscheidungsfreiheit bei der Wahl eures Personals. Ihr müsst euch mit niemandem abstimmen und könnt das Team genau nach euren Vorstellungen und Kriterien zusammenstellen. Dies bietet die Möglichkeit, ein Team zu formen, das perfekt zu eurer Arbeitsweise und Philosophie passt. So kann es gelingen, eine ganz individuelle Praxiskultur zu etablieren. Es liegt an euch zu entscheiden, welche dieser Ansätze am besten zu eurem Führungsstil und euren beruflichen Vorstellungen passen.
Apropos Führungsstil: Fühlt ihr euch in der Lage, ein Team zu leiten und selbstbewusst als Arbeitgeber aufzutreten? Wenn nicht, dann wäre auch hier eine Praxisgemeinschaft denkbar, bei der euer Praxispartner diese Rolle nach außen übernehmen kann.

Eure Wunschpatienten

In einer Gemeinschaftspraxis, insbesondere wenn verschiedene Spezialisierungen vorhanden sind, eröffnet sich ein breiteres Behandlungsspektrum. Dies zieht automatisch eine vielfältige Patientenklientel an. Spezialisierte Behandlungen können innerhalb derselben Praxis durchgeführt werden, was den Patienten weitere Wege zu anderen Fachärzten erspart. Ein weiterer Pluspunkt: Bei Abwesenheiten, sei es durch Urlaub oder Krankheit, gibt es bereits eine vertrauensvolle Vertretung. Ein Kollege kann in solchen Fällen einspringen, wodurch die Versorgung der Patienten kontinuierlich gewährleistet bleibt und Ausfallzeiten minimiert werden.

Aber auch die Einzelpraxis birgt ihre Vorzüge. Hier genießen Patienten oft ein intensives und persönliches Verhältnis zum Zahnarzt. Das Vertrauen und die Bindung, die in einer solchen Umgebung entstehen können, sind unbezahlbar. Allerdings bringt die Einzelpraxis in Bezug auf Urlaub oder Krankheit auch Herausforderungen mit sich: Eine Vertretung muss extern organisiert werden, was sowohl für den Praxisinhaber als auch für die Patienten eine Umstellung bedeuten kann.

Trotzdem schätzen viele Patienten die familiäre Atmosphäre einer Einzelpraxis, in der sie das Gefühl haben, bestens aufgehoben zu sein.
Und während in Gemeinschaftspraxen eine dynamische und diverse Atmosphäre herrscht, kann die Einzelpraxis durch Individualität und Intimität punkten.

Fazit:

Ihr seht, die Entscheidung über die geeignete Praxisform hängt stark von euren finanziellen Möglichkeiten und eurer Persönlichkeit ab. Ihr solltet euch vor der Selbstständigkeit also gut überlegen, für welche Praxisform ihr am besten geeignet seid.

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